Einer der ersten «Hacker», der es auf äußerst ungewöhnliche Weise schaffte, kostenfrei zu telefonieren. John Draper, bekannt als Cap’n Crunch gehört laut Newsweek Magazine zu den Top 10 Hackern der Welt. Er war zu Gast bei Hackerland. Eines Morgens fand er in einer Cornflakespackung der Firma «Cap’n Crunch» eine kleine Spielzeugpfeife, mit der man Töne erzeugen konnte, auf die der Computer der amerikanischen Telefongesellschaft «MaBell» reagierte.
Nach zahlreichen Versuchen fand er die spezifischen Frequenzen, mit denen man den Vermittlungscomputer analoger Leitungen zu einer Unterbrechung der Gebührenübermittlung brachte. Ein Gespräch konnte weitergeführt werden, ohne dass Kosten entstanden. Ein einfacher Gimmick in einer Cornflakespackung ermöglichte ihm so die Täuschung eines riesigen Vermittlungscomputers. Damit hatte er nicht nur seinen Namen gefunden, sondern auch das so genannte Blue Boxing (BB) ins Leben gerufen, wofür er später eine Haftstrafe verbüßte.
Cap’n Crunch erzählt, wie einfach Telefonleitungen zu manipulieren sind. Zusammen mit Steve Wozniak erhackten sie die private Leitung von Präsident Nixon.
Vor 20 Jahren gelang es ihm mit einer Pfeife aus der Müslipackung die Gebührenübermittlung des riesigen Vermittlungscomputers der Telefongesellschaft MaBell zu manipulieren und so das kostenlose Telefonieren möglich zu machen. Dafür büßte er eine Gefängnisstrafe ein. Später entwickelte John Draper Geräte, die das weitere Erkundschaften der Schwachstellen von Telefongesellschaften möglich machten. (…) Durch diese Geschichte erkannte die Szene, dass es möglich ist, über Tonsignale in die Funktionen des Zentralcomputers der Telefonvermittlung einzugreifen und den Gebührenzähler zu stoppen. Um die Signale zur Manipulation des Vermittlungscomputers zu ermitteln, begaben sich Hacker der Szene daran, durch endloses Ausprobieren verschiedenster, oft selbst gebastelter Geräte (Dialer), brauchbare Pfeiftöne zu erzeugen. (…) Immer mehr Szenemitglieder wurden mit der Zeit eingeweiht und nutzten diese Technik, auch um privat kostenfrei zu telefonieren. Damit jedes Szenemitglied in den Genuss des kostenfreien Telefonierens kommen konnte, wurde eine Liste mit Steuersignalen und den dazugehörigen Programmen zur Erzeugung der Töne in den Szenemailboxen verteilt. Eine große Welle des Blue Boxings brach über die Telefongesellschaften herein. Szenemitglieder aus aller Welt nutzten diese Methode, um kostenfrei zu telefonieren. Das Blue Boxing entwickelte sich zu einer gängigen und für die Szene unverzichtbaren Technik. Den Telefongesellschaften entstanden innerhalb kürzester Zeit Verluste von Hunderten Millionen Dollar. Das Problem, mit dem sie sich nun auseinanderzusetzen hatten, war für sie völlig neu. Schnell wurde den Telefongesellschaften klar, dass diesem Zustand ein Ende bereitet werden musste. Die drei größten amerikanischen Unternehmen AT&T, MCI und Sprint suchten mit Hilfe von Fachleuten nach Wegen, die Szene am Missbrauch ihrer Steuersignale zu hindern. Der erste Schritt bestand darin, die Steuersignale in unregelmäßigen Abständen zu ändern und geheim zu halten. Die Phreaker konnten nun nicht mehr die alten Signallisten verwenden und standen vor einem neuen Problem. Als Antwort der Szene wurden Programme entwickelt, die die aktuellen Signale ausfindig machen sollten. Es ging sogar so weit, dass Geräte mit eigenen Chips hergestellt wurden, die speziell zum Auskundschaften der Signale dienten. Diese Geräte, Blue Boxes genannt, wurden direkt ans Telefon angeschlossen.
Die Geschichte von Cap’n Crunch wird wie eine Legende von Phreaker zu Phreaker weitererzählt:
Der Aufenthalt in Lompoc erinnerte mich an meine Zeit beim Militär. Lompoc hatte eine Menge Ställe, und es kam mir an manchen Tagen so vor, als sei ich in einem Zoo inhaftiert. Der erste Job, den ich dort hatte, war in der «Schweinerei». Das bedeutete Schweine füttern und darauf aufpassen, dass sich keiner der anderen Häftlinge unerlaubt ein Schweinesteak zum Abendessen zubereitete. Als ich bemerkte, dass den restlichen Häftlinge diese Arbeit zuwider war, meldete ich mich freiwillig, um von den anderen nicht gleich aufs Korn genommen zu werden. Außerdem liebe ich Tiere. Ich habe schon in meiner Kindheit gern auf Farmen geholfen und Schweine aufwachsen sehen. Als die Wärter merkten, dass ich etwas von Schweinen verstand, konnte ich meine Arbeit im Stall ohne Aufsicht verrichten. Nach einiger Zeit wurde mir diese Arbeit zu langweilig, so dass ich den Schweinen mit einem Stift die Namen einiger Gefängniswärter und des Richters, der mich verurteilt hatte, verpasste. Bei einer spontanen Inspektion wurden diese Namen entdeckt, und man wies mir eine Arbeit im Freien zu. Dort musste ich Rasen mähen, Hecken schneiden und die Felder auf Vordermann bringen. Da das Gefängnis sehr nah an der Vandeburg Air Force Base lag, wurde ich fast täglich Zeuge faszinierender Raketenstarts.
Man verbrachte in Lompoc den größten Teil des Tages damit, die zugeteilten Arbeiten zu verrichten. Die restliche Zeit konnte man draußen, in seiner Stube oder mit den anderen Häftlingen in Sport und Handwerksräumen verbringen. Das Gefängnis finanzierte sich durch die Arbeit der Häftlinge, und aus diesem Grund gab es eigentlich immer etwas zu tun. Bei den meisten Leuten hier handelte es sich um Versicherungs- und Finanzbetrüger. Viele waren aber auch Komplizen von Kapitalverbrechern, die sich glücklich schätzen konnten, in diesem Ferienlager untergekommen zu sein. Das Verhalten der Wärter war nicht schwer vorauszusehen. Im freien Feld war man nicht ständig unter Beobachtung, und es gab etliche Möglichkeiten, aus dem Gefängnis auszubrechen, wenn man wollte. Es hieß jedoch, dass nur Idioten versuchen würden, aus Lompoc auszubrechen. Denn bei einer erneuten Verhaftung musste man mit einer längeren Strafe in einem Sicherheitsgefängnis unter echten Kriminellen rechnen. Alle, ich eingeschlossen, wollten hier einfach nur ihre Strafe absitzen.
Das erste, was ich mir anschaffte, war selbstverständlich ein Radio. Ich konnte meine Finger einfach nicht davon lassen und begann damit, es ein wenig zu modifizieren. Es machte wieder Spaß, mich mit Radios zu beschäftigen, und nach etwas Arbeit konnte ich mit meinem Gerät die Funk-Frequenzen der Wärter anpeilen und abhören.
Um Telefongespräche zu führen, benutzte ich eine Methode, die sich »Looping« nannte. Das war wichtig, da das Telefon im Gefängnis nur Telefonate zu bestimmten Nummern erlaubte, die von der Gefängnisleitung registriert wurden. Mit »Looping« war es möglich, eine Nummer anzuwählen, sich von dort aus unbemerkt weiter zu verbinden, um dann ins freie Telefonnetz zu gelangen. Dazu brauchte man eine so genannte «Cheese Box», die sich aus einem Radio zusammenbasteln ließ. Ohne die Unterstützung einiger Häftlinge, die die technischen Gerätschaften des Gefängnisses verwalteten, wäre es mir nicht möglich gewesen, die nötigen Werkzeuge zu beschaffen. Als Gegenleistung gab ich mein Wissen an alle Interessierten weiter. Wir taten uns so gegenseitig einen Gefallen, was mir die Gewissheit gab, nicht als so genannter «Snitch» abgestempelt zu werden. Mir wurde schnell klar, was auf mich zukommen würde, wenn ich auch nur daran dächte, mein Wissen nicht mit den anderen zu teilen. Es hieß nämlich, dass «Snitches» entweder umgebracht würden oder sich wünschten, tot zu sein. Montags, mittwochs und freitags abends gab es Nachhilfeunterricht in Blue Boxing. Unsere Unterrichtsräume waren der Sportplatz oder der Rasen draußen auf dem Gefängnishof. Meine Schüler hatten immer Papier und Bleistift dabei und machten fleißig Notizen. Ich erklärte ihnen genau, was man alles braucht, um eine «Cheese Box» zu basteln, und wie man damit umgeht. Es war wie in der Schule. Wenn jemand etwas fragen wollte, hielt er kurz, für die Wärter nicht sichtbar, den Finger nach oben und begann zu sprechen. Das große Lernziel war, das ganze Equipment zu nutzen, ohne dabei erwischt zu werden. Hin und wieder gab es unter den Inhaftierten auch Leute, die sich mit technischem Gerät auskannten. Ihnen erklärte ich, wie man selbst Fehler-Detektoren bastelt, um weitere Schwachstellen bei den Telefongesellschaften aufzuspüren. Ich entwickelte mich zu einem guten Lehrer, dem man aufmerksam zuhörte. Es war für mich nicht immer leicht, Leuten, die teilweise kaum lesen und schreiben konnten, alle diese Sachen beizubringen. Ich bemühte mich, verwirrende Erklärungen zu vermeiden, hielt mich an die einfachen und essentiellen Dinge und übte mich in Geduld. Von den Wärtern ging keine allzu große Gefahr aus. Wenn wir draußen auf dem Sportplatz saßen, war es aufgrund der Lautstärke unmöglich, uns von weitem zuzuhören. Wenn sich ein Wärter näherte, wechselte ich einfach das Thema, je nachdem, was mir gerade in den Sinn kam. Nach einer besonders komplizierten Unterrichtsstunde kam ich völlig erschöpft in meine Zelle, um mich etwas hinzulegen. Ich schmiss mich in Sträflingskleidung auf mein Bett und blickte verträumt an die Decke. Nach kurzer Zeit kam ein Wärter zu mir. In seiner Rechten hatte er mein Radio und hielt es mir mit einem großen Fragezeichen im Gesicht unter die Nase. Ich schluckte. «Ja?», fragte ich. »Funktioniert das Radio hier?«, fragte er mich, während er das Gerät wild hin und her zu rütteln begann. Ich nickte. Er hätte es sich sowieso nicht nehmen lassen, es selbst auszuprobieren, wenn ich verneint hätte. «Heute Abend ist ein Baseballspiel», sagte er dann. Ich atmete erleichtert aus. «Ich leihe mir das Ding mal aus, wenn es geht, ja?» Ich blickte ihn freundlich an. Was sollte ich dazu sagen? Ich konnte sicher sein, dass dieser Wärter zu meinem ärgsten Feind geworden wäre, hätte ich ihm diesen Wunsch verwehrt. «Morgen bringe ich es wieder zurück.» Ich lächelte ihn immer noch freundlich an. Ich musste ihm das Radio ausleihen, gar keine Frage. «Sicher», sagte ich in der Hoffnung, dass meine Manipulationen unentdeckt bleiben würden. Obwohl ich einige Veränderungen an dem Gerät vorgenommen hatte, war es kaum von einem gewöhnlichen Radio zu unterscheiden. Man konnte damit nach wie vor jeden Sender empfangen. Wären meine Modifizierungen entdeckt worden, hätte ich meinen restlichen Aufenthalt in Lompoc wohl ohne Radio verbringen müssen. Das wusste ich und hatte darum jede Veränderung an meinem Radio mit reiflicher Überlegung vorgenommen. Man musste schon wissen, welchen Knopf man wie drücken musste, um die erweiterten Möglichkeiten nutzen zu können. Der Wärter bedankte sich freundlich und ging mit meinem Radio fort. Schlafen konnte ich jetzt nicht mehr.
Am nächsten Tag brachte er mir das Gerät ohne Beanstandung zurück. Ich war erleichtert. Aufgrund seines Mangels an technischem Wissen war ihm nicht aufgefallen, dass das Radio von Empfang auf Senden umgeschaltet werden konnte und sogar Frequenzen seines Walky-Talkys abhörte. Die Häftlinge wussten meine Talente zu würdigen. Einige hatten sogar die Baupläne aus dem Englischen ins Spanische übersetzt. Als dann die ersten Häftlinge ihre eigene Cheese Box gebastelt hatten und damit erfolgreich telefonierten, dauerte es nicht lange, bis fast alle Insassen einen solchen Kasten bei sich in der Zelle stehen hatten. Anfangs machte ich mir deshalb noch Gedanken. Ich wusste schließlich, was passieren konnte, wenn zu viele Leute in ein Geheimnis eingeweiht waren. Doch zumindest in dieser Hinsicht funktionierte der Zusammenhalt im Gefängnis vorbildlicher als in der freien Welt. Teilweise bildeten sich Schlangen vor den Telefonen. Die Häftlinge riefen ihre Verwandten und Freunde an, die sie seit Jahren nicht mehr gesprochen hatten. Dadurch hatte ich bei den anderen Häftlingen bald einen ganz besonderen Status inne. Ich geriet nie in irgendwelche Auseinandersetzungen. Und sobald mich ein Häftling auch nur schräg anschaute, waren sofort zwei andere zur Stelle, die dem Querulanten noch einmal deutlich machten, wie wichtig ich für sie war. Außerdem bekam ich bei der Arbeitszuteilung nun die einfachsten Jobs von den leitenden Häftlingen zugeteilt. Die restliche Zeit im Gefängnis verlief dementsprechend unproblematisch und ruhig für mich. Die dreißig bis fünfzig Leute, die nun alles über Blue Boxing, Looping, Cheese Box und den Bau eines modifizierten Radios zum Abhören der Funksprechanlagen der Direktion wussten, gaben ihr Wissen großzügig an die anderen weiter. Der Tag meiner Entlassung war bei vielen Insassen im Kalender rot angestrichen.